Gnade sei mit Euch und friede, von Gott, unserem Vater und von unserem Herrn Jesus Christus.
AMEN
Text: Lukas 17,7-10
Liebe Gemeinde,
gefällt Euch diese Geschichte, die Jesus da erzählt? Auf den ersten Blick ist sie eigentlich nur ärgerlich, es sei denn, Du bist in der Position des Herrn. Der ist natürlich fein raus! Der kann zu seinem Sklaven sagen, wenn er todmüde vom Feld heimkommt, so, jetzt richte mir noch mein Vesper her. Danach kriegst Du auch etwas zu essen und zu trinken.
Jesus weiß, dass er mit einem einvernehmlichen Kopfnicken seiner Zuhörer damals rechnen konnte. Sowohl die Herren, als auch die Sklaven wussten: Ja, so ticken wir alle, so ist unser Alltag, unsere Welt. Und auch das entspricht unserem Alltag, dass kein Herr je auf die Idee käme, seinem Knecht für die erbrachte Dienstleistung zu danken, denn schließlich hat der Knecht ja nur seine Pflicht getan.
Führungskultur wäre das heute nicht gerade. Es gehört zum guten Stil eines Chefs, dass er seinen Leuten danke sagt, auch wenn sie nur ihre Pflicht getan haben. Und ich erinnere mich noch gut, wie schmerzhaft es war, als mir vor Jahren in einem Gremium gesagt wurde: Dass wir dich ärgern, ist ja nicht so schlimm, du wirst ja für deine Arbeit hier bezahlt. Trotzdem bin ich bis heute der Meinung, dass das kein guter menschlicher Umgang war, der die Beziehungen untereinander aufgebaut hätte.
Nun glaube ich nicht, dass Jesus uns hier eine Lektion in Personalführung erteilen wollte. Ein Gleichnis ist immer eine Geschichte, die davon erzählt, wie es zugeht, wenn Gott im Leben der Menschen mit im Spiel ist. Manchmal erzählt Jesus in den Gleichnissen auch von seiner eigenen Aufgabe auf Erden an den Menschen, wie in seiner Geschichte von dem einen verlorenen Schaf, für das der gute Hirte 99 andere allein lässt, um das eine zu suchen. Manchmal regt er uns an, unser Handeln an Gottes Handeln auszurichten, wie in der Geschichte vom barmherzigen Samariter, der einen Verletzten von der Straße aufliest und in eine Herberge bringt. Hier in unserem Gleichnis vom Knechtslohn, wie es in der Bibel betitelt ist, erzählt Jesus davon, wie es zugeht, wenn Menschen ihr Leben im Glauben an Gott leben. In diesem Gleichnis geht es um unsere Gottesbeziehung, um unseren Glauben. Das ist ganz spannend, wenn wir nun ein wenig schauen, was Lukas kurz vor diesem Gleichnis erzählt.
Jesus gibt seinen Jüngern nämlich kurz zuvor die Weisung: „Wenn dein Bruder siebenmal am Tag an dir sündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt.“ Es reut mich! , so sollst du ihm vergeben.“ Die Jünger fühlten sich von diesem Ansinnen Jesu schlicht überfordert und baten in ihrer Not: Herr, stärke uns den Glauben! Das kann doch kein Mensch aus eigener Kraft! Das ist ja völlig verrückt und ganz und gar unmöglich. Daraufhin sagte Jesus: Wenn euer Glaube nur so klein wie ein Senfkorn ist, könnt ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.
Jesus stellt ganz klar: Wenn es um den Glauben geht, dann gibt es kein mehr oder weniger. Man misst den Glauben nicht mit dem Meterstab oder mit dem Messbecher. Es gibt hier kein mehr oder weniger, nur ein Entweder – Oder. Dennoch hat nicht jeder Christ dasselbe Maß des Glaubens zugeteilt bekommen, davon ist zum Beispiel der Apostel Paulus überzeugt, der uns schreibt: Keiner soll höher von sich denken, als es sich gebührt, sondern jeder soll maßvoll von sich denken, so wie Gott jedem das Maß des Glaubens zugeteilt hat. (Römer 12,3) Paulus meint mit dem Maß des Glaubens die verschiedenen Gaben, die Gottes Geist einem jeden Christen verleiht. Nicht jeder hat dieselben Fähigkeiten. Nicht jeder von uns kann dasselbe in der Gemeinde tun. Einer kann gut trösten. Der andere kann gut fröhlich machen. Einer ist musikalisch begabt und erfreut viele damit. Ein anderer kann Gottes Wort gut lehren und predigen.
Aber trotzdem: Glaube ist Glaube bei denen, die viele Begabungen haben und bei denen, die vielleicht nur eine haben. Es gibt nur ein ENTWEDER – ODER im Glauben. In der Schriftlesung haben wir heute gehört, dass Menschen verschieden lange in ihrem Leben Gott dienen. Die einen sind schon als Kinder dabei, die andern kommen in der Lebensmitte erst zum Glauben oder kurz vor dem Lebensende, so wie die Arbeiter im Weinberg über einen ganzen Tag verteilt zu den unterschiedlichsten Zeiten mit der Arbeit für den Herrn begonnen haben. Aber alle erhalten am Ende dasselbe: Gottes ganze Zuwendung, alle den einen gleichen Schatz. Das stellt Jesus eindeutig fest. Es gibt nur eine Beziehung zu Gott haben - oder keine haben. Es gibt nur: Entweder – oder, aber nichts dazwischen. Das Gleichnis vom Knechtslohn ist Jesu Antwort auf die erschrockene Bitte seiner Jünger um mehr Glauben, damit sie die siebenmalige Vergebung an einem Tag schaffen. Jesus zeigt ihnen, dass der Glaube entweder da ist oder nicht. Aber wenn er da ist, dann hat er niemals das Bedürfnis, für Gott eine Leistung zu erbringen aus Pflichtgefühl oder aus Angst, das Heil zu verfehlen. Jesus sagt mit seinem Gleichnis: Seht, so geht es zu zwischen Gott und seinen Leuten! Etwa so wie bei Euch heute zwischen Knecht und Herr. Der Knecht denkt auch nicht, ich will mich lieb Kind machen bei meinem Herrn, mit dem was er tut. Er tut einfach nur das, was ganz normal ist. Er tut das Selbstverständliche.
Dafür gibt es keinen Bonus und keinen Extralohn. Auch keinen Dank erwartet der Knecht, denn er tut das Übliche.
Jesus ist offensichtlich der Überzeugung, dass es ganz normal ist, sooft es nötig wird an einem Tag, dem Bruder auch zu vergeben, weil wir ja auch von Gott so viel Vergebung empfangen.
Für den, der glaubt, ist es das Selbstverständlichste von der Welt, dass er aus Gottes Geist handelt. Das findet er gar nicht besonders ungewöhnlich, das läuft dann einfach wie selbstverständlich so. Genauso wie dieser Knecht im Gleichnis das auch ganz selbstverständlich findet, dass er seinem Herrn nach der Feldarbeit noch das Abendessen richtet. Der denkt sich da gar nichts dabei und erwartet auch keinen Dank dafür. Das läuft ihm gerade so von der Hand.
An dieser Stelle überträgt Jesus seine Geschichte auf unser Verhältnis zu Gott und spricht uns direkt an mit den Worten: So auch ihr! Also auf Neudeutsch: So läuft das zwischen Gott und euch Glaubenden! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sagt: Wir sind unnütze, unwürdige, armselige Knechte. Wir haben nur getan, was wir zu tun schuldig waren!
Ich erschrecke ehrlich gesagt vor der Wucht dieser Sätze! Wenn wir alles getan haben, was in der Bergpredigt gesagt ist: Also, wenn wir in unserem Leben barmherzig waren, auf jegliche Gewalt verzichtet haben, die Feinde geliebt haben, dem anderen so und sooft vergeben haben, wenn wir den Frieden gebaut haben und die Menschen geliebt haben, die uns anvertraut waren, dann sollen wir sagen: Wir sind armselige Knechte! Wisst ihr, wenn wir einmal auf dem Sterbebett liegen werden, dann werden wir viel eher bekennen müssen, dass wir nicht genug geliebt und nicht genug vergeben haben, dass wir nicht immer den Frieden gebaut haben, geschweige denn unsere Feinde geliebt haben werden. Wo wir es aber getan haben werden, da wird es nur Gott alleine wissen. Wir werden nackt und bloß vor Gott stehen. Wir werden ihm gar nichts mitbringen können, womit wir uns ehrenhaft umkleiden könnten, womit wir punkten könnten. Martin Luther starb mit den Worten: “Wir sind Bettler, das ist wahr!“ Wir werden Gott gar nichts mitbringen. Alles, was wir haben, das ist seine Gnade, durch die er uns den Glauben immer neu schenkt, der in diesem Leben in allen Nöten auf ihn vertraut und an ihm festhält. Alles, was uns durch dieses Leben trägt und hält, das sind nicht unsere Leistungen, auch nicht das, wofür andere uns loben, sondern es ist Gottes Liebe zu uns, mit der er uns erträgt, denn sicherlich sind wir - im Bild gesprochen - oft Knechte, die in der Ecke sitzen und nichts mehr tun oder auch nichts mehr tun können, weil uns die Kraft ausgeht ab und an.
Einer hat gesagt, wenn man dieses Gleichnis Jesus liest, muss man daraus den Schluss ziehen, Kirche sei die Gemeinschaft der Nichtsnutze und der Armseligen, ja der Armseligen vor Gott. Ich sage es jetzt mit der Bergpredigt so: Kirche ist die Gemeinschaft derer, die wissen, dass sie von sich nichts, von Gott aber alles zu erwarten haben. Luther hat das einst mit den“ Geistlich Armen“ übersetzt. Die fragen nicht nach Dank oder Lohn für ihr Leben, ein Marin Luther käme nicht auf die Idee, ein Franz von Asissi nicht und auch eine Mutter Teresa nicht, denn ihr Lohn ist es gewesen, mit Gott leben zu dürfen. Die Gnade Gottes mit uns, dass er uns haben will, obwohl wir so sind, wie wir sind, das ist genug im Leben und im Sterben. Dass Gott uns haben will und uns liebt, das ist alles, was wir brauchen in Zeit und Ewigkeit. Gott selber zündet in uns die Liebe zu ihm an. Dazu können wir nichts tun, außer darum zu beten. Und wenn seine Liebe in uns brennt, dann geht es uns wie dem Knecht im Gleichnis, dann fragen wir nicht nach Lohn oder Dank. Wir versuchen dann umgekehrt, mit unserem Leben Gott zu danken. Das geht aber in aller Stille so ab, dass die linke Hand nicht weiß, was die Rechte tut, selbstverständlich eben. Wir haben einen Herrn, der uns dazu befähigt, ihm ganz selbstverständlich zu dienen, weil es um gegenseitige Liebe geht. Dieser Herr hat für uns sein Leben hergegeben. Er kann es gar nicht böse mit uns meinen. Er hat viel mehr für uns getan, als wir je für ihn tun können. Und er wird noch viel mehr für uns tun als wir je verdient haben können, denn er kündigt uns an: „Selig sind die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und wird sie zu Tisch bitten und kommen und sie bedienen!“ (Lukas 12,37)
Christus möchte von uns haben, dass wir ihn von ganzem Herzen erwarten und wollen und dass wir unsere ganze Hoffnung auf ihn richten. Wenn er uns dergestalt „wach“ findet, dann lädt er uns in seiner Ewigkeit zu Tisch. Das ist meine Hoffnung, dass wir alle dort einen Platz finden, wo die Tränen abgewischt werden und all die Mühsal von uns abfällt und all die hier unlösbaren Fragen von uns abfallen und gar nicht mehr wichtig sind und all das Verdorbene in Ordnung kommt und der Christus sieht, warum wir so und nicht anders handeln konnten und wollten. Dass er alle Ängste stillt und uns mit uns selbst versöhnt.
Ich will gerne bekennen, dass ich nur ein armseliger Knecht bin, ich könnte ja nicht mehr sein vor ihm. Denn gerade mit den Armseligen, die wissen, dass sie ohne ihn nichts tun können, baut der Christus sein Reich. Wir Christen brauchen nicht nach Dank und Anerkennung hungern oder nach Lohn. Unser Lohn ist es, in Gottes Gegenwart leben zu dürfen. Und selbst wenn es uns nicht gelingen sollte, einem Menschen siebenmal am Tag zu vergeben, obwohl das der vollkommen Liebe Gottes wohl entspräche, selbst dann ist da doch noch ein Weg für ein erneutes Ankommen in Gottes Liebe. Es gibt viele mögliche Gründe, warum wir nicht vergeben konnten. Jesus sagt uns das mit dem siebenmal Vergeben nicht, um uns ein schweres neues Gebot auf den Rücken zu packen, sondern um uns frei zu machen. Ihr wisst ja selbst wie viel seelische Energie gebunden wird, wenn wir mit jemandem Krach haben. Den Krach loslassen können, ihn offen und ehrlich ansprechen und sagen, was man selber vom Konfliktpartner erwartet, kann so viel bewirken und zur Lösung helfen. Das erspart manches Magengeschwür und etliche Falten auf der Stirn .Wenn ich eins gelernt habe von Jesus, dann dies, dass er kein Zwingherr ist, sondern einer, der Fesseln sprengen will. Klar, wollen wir ab und zu unseren Groll pflegen und nicht vergeben. Wir haben ja auch Angst, dass der andere genau den gleichen Mist wieder mit uns anstellt, wenn wir zu weich sind. Die Liebe hat keine Angst vor offenen Worten, auch nicht vor Abweisung. Denn wir stehen fest durch den Christus, der uns ohne Aufhören liebt und zu uns steht. Wir können uns die Güte leisten und die Freiheit eines Christenmenschen gewinnen. Luther sagt: Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan! Und umgekehrt gilt: Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und jedermann untertan. Er wird als freier Herr dem andern ein Christus!
Er wird ihm so gut, wie Christus gut zu ihm ist Tag für Tag. Das ist das Geheimnis des Glaubens, der durch die Liebe tätig wird, ganz selbstverständlich wie der Knecht im Gleichnis Jesu. Ihr wisst so gut wie ich, dass es dabei auch Rückschläge gibt. Neulich sagte mir eine Mitchristin: Ich möchte jetzt niemandem mehr Gutes tun! Sie hatte die Erfahrung machen müssen, dass ihre Hilfe falsch gedeutet wurde.
Solch eine Erfahrung tut weh. Aber ich bin sicher, sie wird es gar nicht lassen können, doch wieder zu helfen, wo sie Not erkennt, weil sie gar nicht anders kann, aus Christi Liebe heraus.
Der Christus treibt die, die ihm vertrauen. Auch Enttäuschungen entmachtet er. Er ist unsere Kraft.
AMEN