Predigt zu Deuteronomium 6, 4-9 am 22.06.2014

Gnade sei mit Euch und Friede, von Gott, unserem Vater und von unserem Herrn, Jesus Christus! AMEN

Text: Deuteronomium 6, 4-9

Liebe Gemeinde,

Höre, Israel! Unser Predigttext ist das Glaubensbekenntnis Israels. Juden nennen es hebräisch einfach: Sche‘ma Jisrael. Wir merken, dass dieser Text dem jüdischen Volk gehört, dass er zu den Schätzen des Judentums gehört und nicht zuerst ein christlicher Text ist. Zu uns spricht er erst über Jesus von Nazareth, der ihn zitiert hat, als ein Schriftgelehrter ihn fragte: Meister, was ist das wichtigste Gebot? Diese Frage beantwortete Jesus mit dem Anfang unseres heutigen Predigttextes:

Du sollst den Herrn deinen Gott liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller deiner Kraft!

Und er fügte noch hinzu: Und deinen Mitmenschen wie dich selbst!

 

Gott liebhaben – was bedeutet das? Nicht nur glauben oder denken, dass es ihn gibt, nicht nur mit ihm rechnen, sondern ihn tatsächlich lieben, ohne jeden Gedanken, einen Vorteil davon zu haben, ein gutes, leidfreies  Leben zum Beispiel oder Segen auf all meiner Arbeit und also Reichtum oder ähnlich Geartetes. Gott lieben heißt, ihn um seiner selbst willen lieben ohne zu fragen: Was habe ich davon. Gott lieben, das ist wie“ verliebt sein“. Man kann es  nicht machen und nicht kaufen. Es ist einfach da oder auch nicht da. Und wer sich auf Gott einlässt, der lässt sich auf ein Abenteuer ein, genauso wie auch jede Ehe ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang ist. Von Abraham soll Gott nach der Überlieferung in 1. Mose 22  gar verlangt haben, ihm sein auf Erden Liebstes, den lange erwarteten und verheißenen und endlich auch geschenkten Sohn wieder zurückzugeben. Eine grausame Geschichte und doch eine Geschichte, die sich immerzu wiederholt, wenn Eltern ihre Kinder zu Grabe tragen oder Ehepartner ihre Partner. Was heißt es dann, Gott zu lieben, wenn ich mein Liebstes hergeben soll? Trägt mich dann meine Liebe zu Gott und die Liebe Gottes zu mir durch den größten Jammer?  Muss ich mir zum Beispiel diese Fragen stellen: 1. Liebe ich Gott mehr als meine Gesundheit, als mein Leben? 2. Und liebe ich ihn mehr als das Leben  meiner Liebsten, liebe ich ihn mehr als alles andere sonst? Ist es das, was Gott von uns will? Und wenn ja, ist das einem Menschen möglich, wenn er nicht Jesus heißt?

Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir auch den ersten Satz recht mitlesen und mithören, der da heißt: Höre Israel, der Herr ist unser Gott! Und das heißt doch: Der Herr ist für uns da. Er steht hinter uns und er umgibt uns von allen Seiten, und er war eher da als alle die Menschen, die mit uns durchs Leben gehen, und er wird immer noch da sein, wenn sie uns alle verlassen durch den Tod oder wenn unsere Beziehungen zerbrechen. Gott bleibt. Mein Vater und meine Mutter verlassen  mich, denn sie sterben. Aber der Herr nimmt mich auf! So erkennt es der Beter des 27. Psalms. Gott ist immer ein fester Grund unter meinen Füßen, wenn das Leben um mich her in Stücke bricht. Und doch fragen wir Gott, zornig manchmal auch, warum das so sein muss, dass das Leben um uns her so zerbrechlich und unbeständig ist und warum wir uns auf so gar nichts verlassen können, was wir uns mühevoll oft, aufgebaut haben. Zwei sind miteinander glücklich. Da wird einer todkrank und muss gehen. Zwei wollen heiraten. Da verunglückt der eine und die schönsten Träume zerrinnen ins Nichts. Einer hat es beruflich geschafft und ist ganz oben. Da wird er krank und kann die Anforderungen seines Berufes nicht mehr erfüllen. Er schleicht sich aus dem Rampenlicht und alles ist vorbei. Mit vielen Einschränkungen muss er fortan sein Leben leben.

Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig! Es gibt keinen anderen Gott, in dessen Hände wir fallen, wenn wir fallen. Es gibt keine andere Macht, die unser Leben bestimmt, nur ihn allein. Das ist manchmal schwer zu verdauen. Licht und Finsternis schafft derselbe, der Eine, der einzig ist, auch in unserem Leben. Er allein wie, warum er zu welcher Zeit tut, was tut. Jesus hat uns glaubhaft versichert, dass dieser Eine ein guter Vater ist, der es auch im dunklen Tal gut mit uns meint.

Abraham hat Gott so sehr geliebt, dass er Isaak geopfert hätte, wenn Gott ihm nicht selbst noch in den Arm gefallen wäre. Gott wollte dieses Opfer nicht wirklich. Aber er ließ es zu, dass Abraham das alles in seiner Seele leiden musste, den schrecklichen Gedanken, den Sohn als Opfer darbringen zu sollen. Ob Gott es nötig hat, unsere Liebe zu ihm auf solche Art auszutesten? Ich kann es mir nicht vorstellen! Genauso wenig hat er es doch nötig, unsere Liebe zu ihm auf die Probe zu stellen, wenn uns Leid trifft. Und doch erleben wir Leid als Belastung für unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe zu Gott. Von Gott her gedacht, müsste das wahrscheinlich gar nicht sein, weil er nie aufhört, uns zu lieben. Aber das können wir zeitweise nicht begreifen. Hiob hat im Leid angefangen, mit Gott zu streiten. Losgelassen hat er ihn nicht. Auch Jakob hat am Jabbok im Kampf mit Gott ausgerufen: Ich lasse dich nicht, bis du mich segnest! Und er wurde gesegnet. Abraham hat Isaak noch einmal bekommen und Hiob hat noch einmal ein neues Leben beginnen können nach seiner Genesung. Das verführt mich zu der Hoffnung, dass wir auch nicht leer ausgehen werden, wenn es uns trifft.

Gott liebhaben, lasst uns mal sehen, wie das für fromme Juden aussieht und wie sie das leben und im Alltag gestalten! Ein gläubiger Jude singt das jüdische Glaubensbekenntnis wie es in unserem Predigttext vorliegt am Morgen nach dem Aufstehen und am Abend vor der Nachtruhe. Nach alter Tradition legt er dazu die Gebetsriemen an. Er umwickelt, die Weisungen unseres Textes wörtlich befolgend, den linken Oberarm bis hinunter zur Hand mit einem Lederriemen, an dem eine kleine Kapsel befestigt ist, die unseren Text abgeschrieben enthält. Genauso umwickelt er auch seine Stirn mit einem zweiten Lederriemen. Die Kapsel mit dem Text liegt zwischen den Augen auf der Stirn. So hat er die Weisung Gottes direkt vor Augen! Auch am Türrahmen der Haus- oder Wohnungstür eines jüdischen Hauses ist solch ein Kästchen  mit dem Sche‘ma Israel angebracht, so dass man daran denkt, jedes Mal wenn man das Haus verlässt oder wieder heimkommt. Höre Israel, Jahwe ist unser Gott, Jahwe allein! In Zeiten der Verfolgung sind unzählige Juden mit dem Sche‘ma Jisrael auf den Lippen gestorben und haben so den Namen Gottes geheiligt, zuletzt wohl in den Todeslagern der Nazis und im brennenden Warschauer Ghetto. Es gibt erschütternde Texte des Jossel Rachower, der in seiner letzten Stunde mitten im  brennenden Warschau niederschreibt und Gott erklärt: Du kannst mich jetzt umbringen, aber ich werde dich immer lieben!  Wie dem Leid zum Trotz ist das aufgeschrieben und bewegt immer von neuem stark, - dieses Vertrauen, dass der geliebte Gott doch irgendwann und irgendwie Gerechtigkeit schaffen wird. Dass er hier Leben vorzeitig abbrechen lässt und zusieht, wie sein Volk zu Grunde geht und unsagbar leidet und im Unrecht ertrinken muss, das hindert jüdische Menschen nicht daran, ihren Glauben festzuhalten, durchzuhalten und dem Nichts die Hoffnung entgegenzuhalten, dass ein Gott sei, nur einer, der die Fäden trotz allem in der Hand hält. Diesem Glauben wird Gott tun, was er geglaubt hat. Er wird die, die ihn geliebt haben bei sich aufnehmen und ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Gott liebhaben, das bedeutet für fromme Juden: Gott sei dein Ein und Alles! Dein einzig Geliebter! Entstanden ist dieses Bekenntnis zur Zeit des Königs Josia. Damals überschwemmten fremde Religionen mit ihren Göttern das Volk Israel, die Gestirnegötter der Mesopotamier und damit der Horoskopglaube, Baal und Astarte, die Fruchtbarkeitsgötter waren und das Jerusalemer Tempelareal zeitweise in ein Rotlichtviertel verwandelten. Die Priester Israels erhoben dagegen ihre Stimme und riefen das Volk zu dem EINEN, -  zu Jahwe zurück, dem Gott, der sie alle aus Ägypten befreit hatte, aus der Knechtschaft, der Sklaverei.

Liebe Jahwe, das verlangt Leidenschaft und ganze Hinwendung, nicht lau oder halbherzig, sondern ganz und gar und mit allen Sinnen. Liebe ihn mit deinem ganzen Herzen, also aus der Mitte deiner Person heraus, wo Vernunft und Gewissen sitzen und du deine Entscheidungen triffst. Luther übersetzt, liebe ihn mit ganzer Seele, im Text steht aber: mit ganzer Kehle! Die Kehle schnürt es dir zu, wenn du traurig bist, und wenn du froh bist, dann lacht und singt sie und lobt Gott! In der Kehle findet die Stimmung ihren Ausdruck, sichtbar und hörbar.

Zu diesem Bekenntnis und dem Ruf, Gott zu lieben, gehört für fromme Juden die beständige Erinnerung an diese Aufgabe! Schon die Kinder werden ganz früh an das Sche’ma herangeführt. Sie lernen es auswendig. Sie sprechen es ihren Eltern nach und dann ihren Lehrern, solange und sooft bis sie es auswendig können und bis es vom Kopf und den Lippen ins Herzgegangen ist. Darum geht es! Man sieht nur mit dem Herzen gut. Darum heißt auswendig lernen auf Englisch: To learn by heart! Das heißt wörtlich: Mit dem Herzen lernen. Was das Herz nicht lernt, das kann kein Glaube werden. Über die Augen und die Ohren findet das Wort Gottes ins Grundwasser meines Lebensbodens. Dann kann ich davon leben, wie vom täglichen Brot.

Da fragt ein Konfirmandenvater: Wozu soll mein Kind denn all das alte Zeugs auswendig lernen? Das Vater unser , das Glaubensbekenntnis und so… Ja, eben darum, dass es von den Ohren so zum Herzen dringe, dass Gott uns darin begegnen und sein Werk an uns tun kann. Auch wir Christen brauchen heute solche Erinnerungszeichen wie jüdische Menschen sie haben, Gebetsriemen und Kästchen an der Tür! Katholische Christen haben an der Tür ein Weihwasserkesselchen und bekreuzigen sich mit dem Wasser, bevor sie das Haus verlassen und wenn sie heimkommen. Das erinnert sie oftmals am Tag daran: Ich bin getauft und gehöre meinem gekreuzigten und auferstanden Herrn Jesus Christus. Der ist mein Herr und nicht der Tod und das Unglück und das Leid. Ich bin erlöst. Gott meint es gut mit mir. Viele Christen, gleich welcher Konfession tragen um den Hals ein Kreuz. Auch dies ist ein Erinnerungszeichen dafür, dass wir Christus gehören im Leben und im Sterben und nicht den dunklen Mächten. Und wir Evangelischen Christen haben eigentlich alle unseren Konfirmationsspruch, der uns Tag um Tag an Gottes Segen und seine Gegenwart bei uns erinnern will. Auch dieses Bibelwort will, wie das Schema Jisrael, von uns vor sich hingesagt werden, bis wir es in unser Herz hineingesungen haben, immer wieder und immer wieder, denn unser Herz ist ein trotzig und verzagt Ding und speichert nicht wie der PC alles mit einem einzigen Klick für immer. Wir müssen immer neu speichern! Darum ist es so wichtig, dass wir unsern Kindern und Enkeln die Worte des Vater unsers vorbeten, bis sie mitsprechen können! Welcher Schatz ist dieses Gebet, wenn man es in der Not zusammen sprechen kann! Das sind Worte die tragen, -  in Stunden, wo sonst die Worte fehlen! Jesus hat uns dieses Gebet gegeben. Er hat uns gelehrt, Gott unseren Vater zu nennen. Ein Vater meint es gut mit seinen Kindern. Darauf verlassen wir uns, weil Jesus sich auch darauf verlassen hat.   

AMEN

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