Predigt zu Kol 3,12-17 am 15.05.2022

Text: Kol 3,12-17

Liebe Gemeinde,


heilig - geliebt - auserwählt! So werden wir heute angesprochen! Das sollen wir sein, Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte?
Nein, so fühle ich mich gar nicht! Im Augenblick und bei diesem Zustand der Welt fühle ich mich gar nicht wohl und schon gar nicht heilig. Und was Paulus uns da schreibt, was uns als Christen sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen sein sollte, das kann ich an mir nicht feststellen: Erbarmen, das von Herzen kommt, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Einander vergeben, die andern lieben und das Herz voll Frieden? Bin ich dankbar? Habe ich Lust, Gott Loblieder zu singen?
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn Gott jetzt eine Liste zu Abhaken hätte für jeden von uns, wie würden wir da abschneiden? Welche Note bekämen wir von ihm im Christsein? Mir entringt sich da nur ein tiefer Seufzer! Nein, von all der Heiligkeit kann ich an mir nichts feststellen. Wenn das die Messlatte Gottes ist, was rettet uns dann?


Der Apostel jedenfalls bleibt dabei: Ihr seid auserwählt, heilig und geliebt! Das gilt. Und: Ihr habt den alten Menschen ausgezogen, ja, eben den, der kein Erbarmen hat und keine Demut und keine Freundlichkeit. Den alten Griesgram, den ewigen Nörgler am Leben, den Scheißkerl, der nur an sich denkt, der ewig bitter ist und das Leben nicht liebt, den habt ihr ausgezogen und in die Mülltonne getreten, dieses verbrauchte, stinkende, vor Schmutz starrende Kleid, das braucht ihr nicht mehr! Ihr habt den neuen Menschen angezogen. Ihr habt Christus angezogen wie ein neues Kleid. Ich stelle mir das im Bild immer so vor, dass ich unter den Mantel Christi geschlüpft bin. Dort habe ich Zuflucht, sogar vor mir selbst.
Ihr seid auserwählt- heilig - und geliebt! Das heißt: Das können und brauchen wir gar nicht selbst zu leisten, dass wir das sind: Geliebt, heilig und auserwählt. Das macht Gott mit uns! Und das Tröstlichste daran ist, was der Apostel kurz vor unserem Predigtabschnitt schreibt: Ihr seid (mit Christus) gestorben (in der Taufe) und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen. (Kol 3,3) Deswegen sehen wir oft nicht einmal selbst etwas davon, dass wir neue Menschen sind.
Gott selbst macht uns heilig, zu seinen auserwählten und geliebten Kindern, wenn er uns zum Glauben ruft und ihn in uns hineinlegt. Das tut er nie mit Gewalt. Ich kann mich dafür öffnen oder mein Herz verschließen. Von allen, die den Glauben geschenkt bekamen, ist zu sagen: Sie sind auserwählt, heilig und geliebt.


Wenn wir das begriffen haben, dass wir Gott wertvoll sind und dass er uns liebt, dass er uns wirklich haben will, dann stehen wir vor eine ganz neuen Garderobe für unser Herz. Christus selbst reicht uns die neuen Kleider. Wir sollen doch zu ihm passen und deshalb bekommen wir sozusagen die Christustracht. So wie Mönche und Nonnen ihre Kutten tragen, dass man nach außen sogar sehen kann, dass sie sich Christus verschreiben haben, so bekommt jeder Christ unsichtbare Kleider von Jesus, die er immer wieder anziehen soll. Der Apostel nennt diese Kleider beim Namen:
Herzliches Erbarmen mit den Mitmenschen in der eigenen Gemeinde und anderswo auch. Wer dieses Kleid überzieht, der erkennt, dass jeder andere Mensch zum Leben alles nötig hat, was ich auch nötig habe. Von der Nahrung, dem Dach über dem Kopf und Bett über gute Worte und Anerkennung. Wer das Kleid der Barmherzigkeit über sein Herz gelegt hat, der sieht das, der verachtet andere nicht, weil sie nicht so klug oder vorausschauend denken können, wie ich selbst, der übt sich in Barmherzigkeit mit den Schwächeren.
Dem andern vergeben zu können, liegt nicht so sehr in unserer menschlichen Natur. Nicht einmal in der eigenen Familie kriegen wir das oft fertig. Mit dem Kleid der Demut und Freundlichkeit aber, das Christus uns reicht, mag es am Ende doch geschehen. Mit diesem Kleid können wir unsere Position loslassen, oder in Frage stellen und die Sache mal aus dem Blickwinkel des Gegners betrachten. Da bieten sich dann oft ganz neue Möglichkeiten. Groll kann ich fahren lassen und Versöhnung suchen. Christus - like handeln wir da plötzlich, so als wäre er selbst am Wirken. Ist Er dann auch tatsächlich. Christus lebt in uns und handelt durch uns, wenn wir ihn nur lassen. Das darf und soll man spüren, empfinden und staunend feststellen: Die Christen sind irgendwie faszinierend anders: heilig- auserwählt-geliebt. Sieh doch mal, wie freundlich die miteinander umgehen, sich umeinander kümmern. Da ist keiner allein und verloren! Da ist eine gute Atmosphäre bei denen in der Gemeinde. Es ist schön da. Jeder hat da einen Platz, egal welche soziale Stellung er hat, welchen Bildungsstand oder welche Volkszugehörigkeit, das können Flüchtlinge von irgendwoher auf der Welt sein oder alteingesessene Mitbürger. Was die Christen verbindet ist Christus selbst, dem sie alle vertrauen und den sie lieben. So stellt sich der Apostel Gemeinde vor. Und so habe ich sie hier bei uns in Albbruck auch schon erlebt.
Ganz wichtig finde ich, dass der Apostel sagt: Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen! Das, was Jesu uns lehrt im Neuen Testament ist für uns lebenswichtig. Dass wir es gemeinsam lesen, zu verstehen suchen, es in die Tat umsetzen, als Trost einander zusprechen, dadurch wird Gemeinde gebaut. Ich bin der gute Hirte, sagt Jesus, ich lasse mein Leben für die Schafe. Meine Schafe hören meine Stimme und sie folgen mir und ich gebe ihnen das ewige Leben. Ohne Worte wie diese, ohne das Wort Christi kann niemand Christ sein. Gerade dieses Wort sagt uns doch heute Morgen: Ihr seid auserwählt, heilig, geliebt! Wer sonst sollte uns das sagen dürfen, wenn nicht Christus durch sein Wort aus der Bibel! Und wir sollen uns die Worte von Jesus gegenseitig sagen, jeder soll sagen, wie er sie versteht und was davon er versteht. So helfen wir einander weiter im Verstehen. So trösten wir einander, so geben wir einander Wegweisung hinter Jesus her.


Und dann sagt der Apostel, dass das gerade auch singend sehr gut geht. Wer vertonte Bibeltexte schon einmal in einem Chor gesungen hat, der weiß, dass der Apostel recht hat. Mit der Musik zusammen gehen uns die Worte ins Herz, können wir sie besser behalten, bewegen wir sie viel länger und besser in unseren Herzen und vergessen sie nicht wieder. Und wenn wir gemeinsam singen und Gott damit loben, geht uns das Herz auf, fällt viel Druck von uns ab, werden wir dankbar für das Leben, das wir leben im Atmen der Töne und Melodien. Singen braucht unseren Lebensatem, darum ist es immer sehr persönlich, wenn einer singt. Gott freut sich, wenn wir für ihn singen, mit dem Lebensatem, den er uns geschenkt hat. Ob jetzt einer singt wie ein Weltstar oder ob einer keinen Ton richtig trifft, das ist egal, Hauptsache er tut es für Gott. Singen bewegt Menschen, ermutigt sie, so wie die ukrainische Soldatin letzten Mittwoch ihren Mitsoldaten gesungen hat, um die Verzweiflung zu vertreiben. Die alten Lieder rühren selbst Demenzkranke an, die sonst kein Wort erreichen kann. Musik geht uns bis ganz innen. Martin Luther berichtet von sich, dass er anfing zu singen, wenn er traurig werden wollte oder Anfechtung des Glaubens im Verzug war. Singen vertreibt das Böse.


Wir sollen Gott zum Lobe singen, in dessen Gnade wir stehen. Ja, genau dafür sollen wir ihm singen, dass er uns sagt: Ihr seid auserwählt, heilig, geliebt! Das gilt! Lasst euch das nicht ausreden, von niemandem! Hört ihr!


Amen

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