Predigt an Heilig Abend 2012 zu Johannes 7, 28+29

Gnade sei mit Euch und Friede, von Gott, unserem  Vater und von unserem Herrn, Jesus Christus! Amen

Liebe Gemeinde,

alle Jahre wieder versammeln wir uns hier am Heiligen Abend in unserer Kirche und immer ist es dieselbe festliche Stimmung. Immer ist es dieselbe geheimnisvolle Aufregung, immer diese undefinierbare Erwartung auf das Besondere. Wir freuen uns am Christbaum mit seinen vielen Lichter, wir freuen uns auf das Hören und Sehen und Spielen der Weihnachtsgeschichte. Nun haben wir sie gesehen und gehört. Nun sind wir hier im Glanz der schön geschmückten Kirche, weg von unserem Alltag, wenigstens für eine Stunde und wissen genau, nachher wird es zuhause vielleicht nicht so harmonisch sein, wie wir uns das erträumen, weil uns das eigene Leben wieder fest in den Griff nimmt.

Nachher fehlt manchem von Ihnen der Ehepartner, nachher sitzen Sie vielleicht alleine in Ihrer Wohnung, nachher ist es das erste Weihnachtsfest ohne die Mutter oder den Vater  oder den Lebenspartner. Nachher denke ich wieder an die Krankheit, die unheilbare, nachher weiß ich wieder, dass ich von Hartz 4 kein rechtes Festessen auf den Tisch  bringen kann. Nachher tut der Zwist in der Familie besonders weh. Nachher gehen wir wieder jeder in sein eigenes Leben zurück und an seinen eigenen Ort. Und dann, was hilft uns Weihnachten dort, dort, wo das Menschenleben gelebt wird in seiner ganzen Härte oft. Was hilft uns Weihnachten?

Wir feiern dieses Fest ja nicht, um alles andere zu vergessen. Wir feiern es, um an etwas zu denken! – an Etwas, was unserem Menschenleben ungeahnten Wert und Würde verleiht.

Wir denken an den Menschen Jesus aus Nazareth und feiern heute seine Geburt. In diesem Menschen erkennen wir, wozu wir von Gott geschaffen und berufen sind. Dieser eine Mensch deutet unser Leben. Er hält es in Gottes Licht hinein und dort wird es hell und richtig. Er macht uns das Menschsein vor. Er zeigt uns, wie es recht geht, wie es schön und gut sein kann, ein Mensch zu sein. Dort, wo wir einander mit Liebe begegnen und jeder auch aus der Sicht des andern zu denken anfängt, da wird das Leben schön für alle. Jesus hat das vorgelebt und ist für unzählige Menschen ein Heiland gewesen, einer, der sie selbst und ihr Leben mit Gott in Einklang gebracht hat.

Die ersten, die in ihm Gottes Sohn erkannten, wie der Evangelist Johannes, der hat über Jesus nachgedacht und kam zu dem Schluss, dass Jesus ganz aus der Gegenwart Gottes kommt, ja dass er schon vor seiner Geburt in Bethlehem bei Gott war und schon bei der Schöpfung eins war mit Gott und also bei der Schöpfung der Welt dabei gewesen sein muss. Er kommt aus dem Einssein mit Gott zu uns und wird ein Mensch aus Fleisch und Blut wie wir.

Als Jesus erwachsen ist und sich an seiner Person die Geister scheiden, sagt er seinen Zeitgenossen im Tempel von Jerusalem:

„Ihr meint, mich zu kennen und zu wissen, woher ich komme. Aber ich bin nicht im eigenen Auftrag gekommen; es gibt einen, der mich gesandt hat, und das ist der wahre Gott. Doch den kennt ihr nicht.“  Johannes 7, 28-29

Jesus sagt, wer mich ansieht und meint, ich sei einfach der Zimmermannssohn aus Nazareth, der schaut zu oberflächlich. Hinter meinem Menschenantlitz verbirgt sich das Antlitz des lebendigen Gottes. Hier ist mehr als der Zimmermannssohn. Hier ist auch mehr als ein Kind in der Futterkrippe, das unser Herz dahinschmelzen lässt. Hier liegt schon auf dem Holz, der ans Kreuz gehen wird für die Liebe.

Um Jesus geht es am Heilige Abend, und für wen wir ihn halten. Es geht nicht um Weihnachtsschmuck und Lichterketten, um Renntiere im Garten und Christbaumkugeln am Tannenbaum. Es geht nicht um Schokolade und den Weihnachtsmann. Es geht um den lebendigen Jesus Christus, der für uns Mensch geboren, gestorben und auferstanden ist. Gott wird Mensch in diesem Jesus aus Nazareth.

Der Evangelist Lukas erzählt davon mit seiner Weihnachtsgeschichte mit Herbergssuche, Krippe, Engeln, Hirten und Weisen. Er malt uns ein Bild vor Augen von dem, was man eigentlich gar nicht sagen kann.

„Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß! ER ist ein Kindlein worden klein, der alle Ding erhält allein!“

Der große Gott wird ein kleiner Mensch, um uns ganz nahe zu sein. Er wird schwach und verletzlich, wird ein Mensch mit Leib und Seele, der sterben muss, wie wir auch.

Er erfährt Ablehnung, noch bevor er das Licht der Welt erblickt. Niemand hat einen Platz für ihn, an dem er geboren werden kann. Ein Stall muss es dann tun.

Wie viele Menschen auf dieser Erde haben auch keinen Platz, an dem sie gerne gesehen sind. Sie werden bloß geduldet und verschoben, weitergereicht. Gott selber tut sich das an um ihretwillen, aber genauso damit wir alle uns erbarmten über die, die keiner lieben will. Und Gott sagt uns das so ohne Zwang und so ohne, dass er uns ein schlechtes Gewissen machen würde. Er kommt und stellt sich an die Seite derer, die sich selbst nicht helfen können. Das ist alles. Und das zeigt Wirkung, ganz von selbst. Viele Menschen haben es seither unternommen, den Schwachen beizustehen und fanden sich selbst getröstet, wenn sie schwach waren, denn da ist EINER mit uns – ganz da unten. Weihnachten hilft uns, das zu wissen und zu glauben. Wisst ihr da kommt Gott in Windeln, wie unsere ganz kleinen Windelmätze, aber auch wie unsere hochbetagten Windelträger, die wieder werden müssen wie die Kinder und die auf dieser Welt keine Lobby mehr haben, denen man gar noch vorrechnet, dass sie zu teuer sind, weil sie Pflege brauchen. Gott macht sich so niedrig und gering und schwach, schwächer geht nicht mehr, und alles nur für uns, weil er weiß, dass wir das, was uns von oben herab gesagt wird, nicht lieben können. Darum kommt er von ganz unten zu uns und zeigt uns einfach: Seht, auch wenn ihr so dran seid, dass ihr nichts mehr geltet, dann seid ihr mir wert und teuer und ein ganzer Mensch mit aller Würde. Gott kommt in Windeln! Welch ein Gott, dem nichts Menschliches fremd ist und der sich vor nichts scheut! Auch vor dem Leiden nicht. Wie viel Not haben Menschen in unserer Gemeinde auch in diesem Jahr wieder erlitten und durchgestanden, wie viel Leid! Gott geht am Kreuz des Jesus von Nazareth zu ihnen, um mit ihnen zu leiden. Er wird genauso ohnmächtig wie wir es sind, wenn uns eine tödliche Krankheit in die Zange genommen hat. Seine Hilfe für uns ist nicht die Allmacht, mit der er alles Leid von uns wegnimmt. Er erklärt uns nicht, warum das nicht seine Art und sein Weg ist. Das wäre auch sehr schön. Aber seine Hilfe für uns ist die, dass er in unserer Ohnmacht, ohnmächtig mit uns unter unsere Last tritt und sie mit uns erträgt. Pah, sagen jetzt vielleicht manche, was soll das helfen!? Wir sehen auf das Kind in der Krippe und auf den Mann am Kreuz, Gottes eigenes Kind, das er so hart durchschickt durchs Leben. Manchmal denke ich, er hat es deswegen getan, damit wir nicht verzweifeln müssen, wenn wir genauso hart durchmüssen.

Weihnachten ist eine Botschaft gegen die Verzweiflung. Das hilft uns, dass wir wissen und glauben können: Nicht einmal im Sterben und im Tod sind wir ohne Gott. Er hält bei uns aus bis zuletzt. Das zu glauben, hilft uns Weihnachten! Und selbst wenn wir von Gott gar nichts mehr spüren auf den gnadenlosen Brettern der Welt, - er spielt mit in unserer Lebensgeschichte und zwar zu unserem Besten. Im Rückblick wird es oft sehr klar, dass er es gut mit uns gemacht hat.

Da sind zum Beispiel die Hirten, arme Schlucker, verachtete Leute wie sie, sie sind die ersten, denen Gott die Ehre antut, von der Geburt seines Sohnes zu erfahren. Die laufen auch gleich los, um das Kind zu finden. Und sie finden ein ganz normales Kind in Windeln und ein junges Elternpaar, erschöpft von der Geburt. Und sie sagen jetzt nicht: Na, und? Was soll uns das helfen. Ein Schreihals in Windeln, der seine Eltern auf Trapp hält. Sie kommen und sehen tiefer und hinter dem Gesicht des Neugeborenen entdecken sie Gottes Antlitz.

„Ihr meint mich zu kennen und zu wissen, woher ich komme.“

Genau das tun die Hirten nicht. Sie sagen nicht, ach guck mal, ein Baby! Nein, sie begreifen, dass da Gott am Werk ist und dass sich in diesem Stall in Bethlehem Himmel und Erde berühren. Der da kommt aus seines Vaters Schoß vom Himmel herab, ist Gott von Gott und Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Da ist Gott mitten in unserem Menschenleben!

Lasst uns mit den Hirten auf dem Engelsfeld heute Nacht jenen Blick tun hinüber in die Klarheit des Herrn, die um sie her aufging und im Blitz eines Augenblickes begreifen, dass das Leben, das Gott uns gab, gut ist, weil Jesus es gelebt hat, dass wir geliebt sind bei Gott, dass wir ein Ziel haben, dass wir erwartet werden in jener Klarheit und in jenem Licht und dass uns eine ganz eigene, unzerstörbare Würde eigen ist, weil Gott Mensch geboren ist.

Und lasst sie uns nicht für uns behalten, die Liebe Gottes, die jedem Menschen gilt, sondern hingehen und davon singen und sagen und sie weiterschenken an die, die mit uns leben!

 

AMEN

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