Gnade sei mit Euch und Friede, von Gott, unserem Vater und von
unserem Herrn, Jesus Christus, AMEN
Text: Kolosser 4,2-6
Lasst nicht nach im Beten!
Seid dabei wachsam und dankbar!
Betet auch für uns, damit Gott uns eine Tür öffnet für das Wort und wir das Geheimnis Christi predigen können, für das ich im Gefängnis sitze.
Betet, dass ich es wieder offenbaren und verkündigen kann, wie ich es muss.
Wandelt wiese im Umgang mit den Außenstehenden und nutzt die Zeit!
Eure Worte seien immer freundlich, doch mit Salz gewürzt. Dann werdet ihr jedem in der rechten Weise antworten können.
Liebe Gemeinde,
alle Welt spricht heute von Basics. Basics in den Lernfächern, - das ist Wissen, das unverzichtbar ist. Basics im Kleiderschrank, das sind T-Shirts und Unterwäsche und Blusen, die zu einem richtigen Outfit heutzutage gehören. Basics sind immer kombinierbar mit anderem.
Der Apostel Paulus schreibt der Gemeinde in Kolossä von den Basics des christlichen Glaubens. Dazu gehört für den Apostel das Gebet. Was ist Beten? Was tun wir da, wenn wir beten? Reden wir womöglich mit uns selber? Reden wir uns alle Lasten von der Seele? Oder ist da jemand, der uns zuhört?
Wie geht Beten überhaupt? Fast alle Menschen beginnen zu beten, wenn sie nicht mehr weiterwissen, selbst dann, wenn sie behaupten, gar nicht an Gott zu glauben. Wenn es ernst wird im Leben, hofft jeder Mensch, dass da ein Gott sei, der ihn hört.
So einfach ist es dann nicht, wenn ein Mensch nur im Notfall betet. Manch einer braucht dann den Profi, der an seiner Stelle betet. Beten will geübt sein. Man muss es tatsächlich trainieren, so wie ein guter Sportler langsam seinen Körper in Form bringt, so will auch das Beten regelmäßig geübt sein. Wie soll einer denn Gott hören, wenn er ihn vorher nie gehört hat und gelernt hat, seine Stimme zu hören, zu spüren, was Sache und was dran ist im Leben.
Paulus kennt drei Basics des Betens, die er uns ans Herz legt:
1. Beharrlich bleiben und nicht nachlassen!
2. Wach bleiben!
3. Danken!
1. Nicht nachlassen beim Beten! Das heißt: Ich bete, auch an den Tagen, wo ich gar keine Lust dazu verspüre, ich bleibe doch mit Disziplin dran und schaufle mir die Stille vor Gott frei, auch wenn die Arbeit es eigentlich nicht zuzulassen scheint. Auch hier gilt es, Prioritäten zu setzen. Martin Luther war da eisern. Er konnte sagen: "Heute habe ich viel zu tun, also muss ich auch viel beten.“ Das hat er dann getan, bis zu drei Stunden am Tag. Ich ertappe mich dabei, wie ich mich ganz oft von der Arbeit versklaven lasse. Beten wäre gesünder. Es hilft uns dazu, den Überblick zu behalten in all den vielen Aufgaben und das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden, manches vielleicht einfach auch gar nicht zu tun, weil es falsche Betriebsamkeit wäre.
Wer sportlich unterwegs ist, weiß, dass ein Trainingsunterbruch zurückwirft und dass einer seine Tüchtigkeit nur erhalten kann, wenn er beharrlich dranbleibt am Training. Wer lange nicht betet, hat ein ähnliches Problem. Er verlernt es, mit Gott zu kommunizieren. Und: Er verliert sich in der Betriebsamkeit der Tage. Da steht einer plötzlich in der Gefahr, seine Lebenszeit abzuhaken, wenn die Arbeit getan ist und sein Leben gar nicht mehr als Geschenk zu betrachten, für das man Dankbarkeit empfinden könnte.
Wer betet nimmt sein Leben und seine Welt in den Blick und trägt beides in Gottes Gegenwart hinein. Und da kann es geschehen, dass Gott uns unser kleines Leben in ein ganz neues Licht taucht und uns auch die Welt in einem anderen Licht sehen lässt, nämlich so, dass wir unsere Aufgabe darin gezeigt bekommen. Wir entdecken den Sinn unseres Lebens und dass der Horizont für unser kleines Leben viel weiter ist, als wir je dachten. Das hebt uns an Gottes Herz und das ist Glück pur. Bequem ist das nicht immer für uns, je nach zugeteilter Aufgabe, aber wirkungsvoll für die Welt!
2.Wer dranbleibt am Beten, der wird sensibel und wach für seine Welt und Umgebung, der kriegt eine Antenne für das, was faul ist und was nicht stimmt. Und damit bekommt er oder sie dann auch eine Aufgabe. Wach sein, das bedeutet auch, dass ich die Menschen um mich herum wahrnehme und auch die Situation, in der sie sich befinden. Wie oft wünschen wir uns in diesen Zeiten Menschen, die ein klares, waches Wort zum Tag wagen würden? Die Weisung hätten, was zu tun sei im Umgang mit all den politischen Krisen unserer Tage, die den richtigen Riecher hätten für das Gebot oder auch die Gunst der Stunde! Jemand, der wüsste, wie man einem Mann wie Donald Trump in rechter Weise und so antworten könnte, dass es fruchtete?
Wach sein und spüren, was dran ist, - solche gibt es unter den Betern. Nicht umsonst waren der Mönch Bernhard von Clairveaux oder die Nonne Hildegard von Bingen als politische Berater der Großen ihrer Zeit gefragt, beide waren betende Menschen, die die Dinge klar sahen und Gutes und Böses zu unterscheiden wussten. Sie waren ganz und gar wache Menschen, die ihre Zeit und den Zeitgeist kannten und die den Mächtigen mit Salz gewürzt und in der rechten Weise antworten konnten auf die drängenden Fragen ihrer Zeit. Der jüngst verstorbene Kardinal Lehmann war auch so einer. Sie alle haben es von Jesus gelernt, wache, scharfsinnige Beobachter ihrer Zeit zu sein und den Menschen draußen solche, die Christus sichtbar machten in den Alltagsfragen der Welt. Unglaublich fast war, was der Nicolaipfarrer Christian Führer sich am 9. Oktober 1989 in Leipzig traute als er vor den Ohren der Staatsicherheit sagte:“ War einer, der sagte: “Selig die Armen und nicht: Wer Geld hat, ist glücklich. Liebe deine Feinde! Und nicht: Nieder mit dem Gegner! So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten. Und nicht: Es bliebt alles beim Alten! Wer sein Leben einsetzt und verliert, der wird es gewinnen! Und nicht: Seid schön vorsichtig! Ihr seid das Salz! Und nicht: Ihr seid die Creme!“
Die Montagsgebete führten dann zum Sturz der Mauer!
Jeder und jede von uns kann das im Kleinen hier vor Ort auch sein, ein Mensch, der die Dinge klar sieht und die Wahrheit ausspricht, selbst wenn es nicht opportun ist. Das braucht viel Mut, vor allem in einer Gesellschaft, die political correctness über die Wahrheit und die nackten Tatsachen stellt. Ich fand es unheimlich mutig von dem Leiter des Tafelladens, dass er sich zu sagen traute, dass die alten Frauen sich nicht mehr zum Einkaufen wagten wegen der jungen männlichen Flüchtlinge.
Wach sein durch das Gebet, das gibt Menschen eine Leidenschaft für Gerechtigkeit, die dann nicht mehr hinter dem Berg halten kann, sondern sagt und tut, was nötig ist.
Das Wachwerden beim Beten hat auch eine ganz persönliche Komponente: Ich nehme mich selber wahr. Ich spüre, wie es mir geht. Da kann Dir bewusstwerden, dass du absolut an der Grenze läufst mit viel zu hoher Geschwindigkeit und Drehzahl und dass Du dringend mal runter musst. Oder Dir wird mit einem Mal klar, was du verbockt hast und wo Du um Verzeihung bitten musst oder anderweitig den angerichteten Schaden wieder ausbügeln solltest. Beten schärft dir die Sinne für dein eigenes Leben, hilft dir zu korrigieren oder den richtigen Weg zu nehmen, wenn du dich entscheiden musst. Mir geht es manchmal so, dass ich während ich bete die Idee bekomme, was als nächstes in der Gemeinde zu tun wäre. Gott hat ja viele Möglichkeiten mit uns zu reden. Es kann doch sein, dass er uns die gute Idee schickt und uns so dahin bringt, wo er uns haben will. Vielleicht ist es ja so, dass die guten Dinge in der Stille vor ihm geboren werden. Beten ist nicht einfach nur Reden mit Gott, ist nicht Gott viel vorplappern. Beten ist Lauschen und Hören mit den Ohren des eigenen Herzens. Beten ist auch Fürbitte tun für Menschen, die es nötig haben. Die Fürbitte zieht einen Schutzkreis um die Versehrten, die Kranken, die Orientierungslosen. Ja, sie ist so stark, dass man sie manchmal spüren kann.
Paulus, der im Gefängnis sitzt, im Dunkeln und der gar nichts mehr tun kann, er bittet die Gemeinde für ihn zu beten, damit sich ihm eine Tür öffnet und er das Evangelium von Jesus wieder predigen kann. Wahrscheinlich meint Paulus doch nicht nur eine Tür im übertragenen Sinn dafür, dass seine Predigt von Christus ankommt bei den Menschen, sondern sicherlich meint er auch, die Gemeinde möge für seine Freilassung beten, also dass sich für ihn die Tür des Gefängnisses in die Freiheit öffnet.
Der Apostel sitzt aber nicht resigniert im Gefängnis, sondern er weiß, dass Christus in ihm lebt und aus ihm herausstrahlt, auch dort. Die Mitgefangenen können das Geheimnis Christi wahrnehmen, einen Paulus, der noch in Fesseln seinen Gott lobt.
Da muss ich ehrlich gesagt staunen! Wie macht er das?
Paulus bleibt beharrlich im Gebet, auch an solch einem unmenschlichen Ort. Er ringt dem Beklagenswerten das Segenswerte ab! – Die Gemeinde, die in der Fürbitte für ihn einsteht, Christus, der ihm nahe ist! Dafür ist der Apostel dankbar. Dankbarkeit heißt das Leben gut, unter allen Umständen. Da ist manchmal in der Zeit, wo Menschen sich zum Sterben vorbereiten im Hospiz mehr Dank und Leben als vorher ein ganzes Leben lang, weil das Leben angesichts des Sterbens kostbar wird. Menschen mit viel Gebetserfahrung sagen, wer viel dankt, erfährt viel Segen Gottes. Darum achten sie darauf, dass sie ihr Gebet mit dem Dank beginnen. Das ist eine gute Übung, jeden Abend an einer Hand fünf Dinge aufzuzählen, für die man heute danken möchte. Sie lassen sich für gewöhnlich finden. Unsere Psyche ist leider so gebaut, das wir uns das Schlechte viel besser merken können. Darum ist es gut, wenn wir das Gute für, uns selbst, dankend vor Gott bringen. Es erhebt uns zu ihm. Es zeigt uns die Güte des Schöpfers mit uns, der uns täglich reich beschenkt! Es wäre jetzt zu selig, das Beklagenswerte einfach zu verschweigen und auszublenden, aber das Geheimnis des Leben - könnens auch mit dem Schweren ist die Dankbarkeit für das, was mit geschenkt war und noch wird, und wenn es ein guter Arzt ist oder eine nette Schwester oder ein halbwegs schmerzfreier Tag! Der Dank ringt dem Beklagenswerten das Segenswerte ab! Das ist oft nicht ohne inneren Kampf zu haben. Manchmal muss man sich selbst zum Dank und Gotteslob überreden gegen die Einsprüche des Tages. Das ist harte psychische Arbeit. Manchmal unterliege ich. Aber geheimnisvoll und ohne dass wir wüssten wie, bringt Christus uns doch ans Ziel, manchmal durch die schiere Verzweiflung hindurch.
AMEN