Gnade sei mit Euch und Friede, von Gott, unserem Vater und von unserem Herrn, Jesus Christus! AMEN
Text: 1.Petr. 1,3-9
Liebe Gemeinde,
Petrus schreibt an seine Gemeinden. Es geht ihnen nicht so gut. Hört ihr es aus seinen Zeilen? Was ist ihr Problem? Sie haben Schwierigkeiten dadurch, dass sie glauben. Sie werden zwar nicht mit physischer Gewalt angegriffen, aber sie werden doch dumm angemacht; so würden wir das heute nennen, und sie werden als Außenseiter behandelt. Sie gehören nicht dazu zu denen, die halt dazugehören in der Gesellschaft. Die Christen fühlen sich daheim wie Fremde. Sie haben eine Identitätskrise. Wer sind wir denn überhaupt hier? Wir glauben an die Auferstehung Jesu und die andern halten uns für irre.
Ich merke, die verstehe ich. Mir geht es auch oft so in letzter Zeit, dass ich mich frage: Wer sind wir denn als Gemeinde? Ein Dienstleister für Taufe, Trauung und Beerdigung? Ein paar alte Leute, die miteinander irgendwie mit letzter Kraft den Glauben hochhalten. Wir werden immer weniger. Unsere jungen Leute scheint der Gottesdienst nicht so sehr zu interessieren und das Lob Gottes, das besorgen wir Alten allein. Manchmal denke ich, wenn die Jungen nicht bald mal aus den Winkeln und Ecken auftauchen, dann ist diese Gemeinde irgendwann nicht mehr überlebensfähig, weil Gebet und Gottesdienst keinen mehr interessieren. Was soll dann werden? Wie wird Kirche Jesu dann weiterleben? Ich habe mich vor Ostern auch geärgert über manches was in den Zeitungen über Kirche geschrieben wurde, vom Vorwurf in der NZZ, die evangelischen Pfarrer würden infantil predigen bis hin zu den alljährlich wieder aufgebrachten Klügeleien, die Auferstehung Jesu könne nicht stattgefunden haben. Natürlich werden wir sie niemals wissenschaftlich beweisen können. Wer sich nie auf Jesus eingelassen hat, der kann auch nicht erfahren, dass er lebt. So ist das mit dem Glauben. Einmal brauchst Du den Mut zu sagen: Ja, ich will! Das ist wie beim Heiraten auch.
Wer sind wir Christen denn heute in unserer Gesellschaft? Ein paar Verrückte, die steif und stur behaupten, dass ein Toter lebt und sich dafür belächeln lassen? Wer sind wir Christen, liebe Gemeinde? Der Verfasser des 1. Petrusbriefes versucht, uns diese Frage zu beantworten und gleichzeitig darüber zu trösten, dass zum Glauben ein Fremdsein in der Welt und im eigenen Leben gehört. Alles, was wir da an Infragestellungen erleiden, im Gespräch mit andern, am Arbeitsplatz in der Schule oder sonst wo, das zählt der Brief des Petrus zu den ganz normalen Prüfungen des Glaubens, denen jeder Christ ausgesetzt ist. Sie werden zeigen, dass sein Glaube echt ist und noch beständiger als Gold, das im Feuer geschmolzen wird, damit die Schlacke weggeht. Und in diesen Prüfungen und Infragestellungen wird ein Christ erleben, dass Gott selbst ihn bewahrt im Glauben. Das sind dann Sternstunden der Gewissheit.
Mich beeindruckt mit welcher eigenen Gewissheit und mit welcher Kraft in seiner Sprache, der 1. Petrusbrief das Lob Gottes anstimmt. Er stimmt es an zu unserem Trost und lässt keinen Zweifel daran, dass die Auferstehung Jesu die Welt verändert hat. Während die Gemeinde damals und heute zweifelnd fragt: Hat sich denn durch Ostern tatsächlich etwas geändert? Eigentlich ist die Welt wie sie immer war! Während ihm noch unsere Zweifel um die Ohren dröhnen beginnt er sein Osterlied zu singen:
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn, Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten!
Der Petrusbrief sagt: Wir Christen sind durch die Auferstehung Jesu wie neugeboren. Wir haben durch sie eine Hoffnung, die lebendig ist, die beinahe platzt vor Energie und Kraft wie eine Tulpenzwiebel, die zerspringt und die schönste Blüte hervorbringt. Also merke erstens: Christliche Identität fängt an mit einer sicheren Hoffnung auf den auferstandenen Christus! Denn, wenn Jesus auferstanden ist, dann hat der Tod keine endgültige Macht mehr über uns. Wir sterben zwar noch, doch wir werden leben. Die Bibel erklärt uns: Gott rief die ganze Schöpfung aus dem Nichts, allein durch sein Wort. So wird es bei der Auferstehung auch sein. Er ruft ins Dasein, was nicht ist und macht die Toten lebendig, schreibt uns Paulus in Römer 4,17. So erleben es die Jünger und Jüngerinnen mit Jesus. Allen voran erlebt es Maria Magdalena, die erste Zeugin der Auferstehung: Sie sagt es weiter: Gott hat Jesus auferweckt vom Tod! Und erst nach Ostern begreifen sie:
Wenn Jesus auferstanden ist, dann ist nichts im Leben aussichtslos, dann ist keine Sorge, keine Enttäuschung, keine Schuld so groß, dass sie uns das Leben nehmen darf. Wenn Jesus auferstanden ist, dann gibt es keine Endgültigkeiten mehr im Leben, nicht mehr den Satz: Da kann man halt nichts ändern – nicht mehr den Zustand, dass Feind für immer Feind bleiben muss. Wenn Jesus auferstanden ist, kann alles neu werden.
Wenn Jesus wirklich auferstanden ist, dann dürfen wir guten Mutes Versöhnung miteinander suchen, ohne Angst dabei etwas zu verlieren, dann können wir Versäumtes wieder gut machen oder Christus überlassen, dann können wir den Stein vom Grab unserer Freude und unserer Liebe und unserer Lebenslust wegräumen, aufstehen und fröhlich leben. Es ist ein gutes Leben mit dieser Hoffnung.
Dass Jesus auferstanden ist, das lässt uns immer wieder aufstehen aus Resignation und Enttäuschung, aus Nichtmehrwollen oder Nichtmehrkönnen.
Dass Jesus auferstanden ist, das lässt uns ausbrechen aus verfahrenen Situationen, das lässt uns neue Wege suchen und finden, wo alles dunkel war.
„Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen!“ (EG 99) Und wir mit der Welt.
Wie würde unsere Welt wohl aussehen ohne den Glauben an den lebendigen Christus?Wer würde hoffen, entgegen aller Schwierigkeiten? Wer wollte seinem Feind verzeihen? Wer wollte barmherzig sein? Wer wollte dem Tod getröstet entgegen gehen ohne Jesus? Wer wollte glauben, dass seine Schuld vergeben ist und Gott auf seiner Seite?
Nun aber ist Christus auferstanden! Wir wissen es, weil wir ihn kennen und ihm begegnet sind im Glauben und in seinem Wort. Wir haben ihn nie gesehen, genau so wenig wie die Adressaten des 1.Petrusbriefes. Von denen heißt es auch: „Ihr habt ihn nie gesehen und habt ihn doch lieb! Und ihr glaubt an ihn, obwohl ihr ihn jetzt nicht seht!“Ganz genau so ist es bei uns auch. Wir wissen es gewiss, dass er lebt und für uns einsteht, auch wenn wir ihn nicht sehen oder ihm die Hand reichen können. Aber er lebt in uns und mit ihm die Hoffnung, die dem Tod widerspricht, indem wir lieben. Christen sind Protestleute gegen den Tod, denn ihr Herr ist mächtiger als der Tod. Protestleute gegen den Tod sind Menschen, die nicht alles als vorgegeben hinnehmen, sondern fühlen, wo Leben bedroht und beeinträchtigt wird und die dagegen aufstehen. Ich war sehr beeindruckt von einem syrischen Asylbewerber, der an Ostern im Fernsehen kam. Er hatte Hilfe von einer christlichen Gemeinde in Berlin erfahren und hat sofort begriffen, worauf es beim Christsein ankommt: Lieben. Seit er eine Wohnung und sein Auskommen hat, kocht er jede Woche Suppe für die Obdachlosen am Bahnhof auf seine eigenen Rechnung und bringt den großen Suppentopf mit der Straßenbahn zum Bahnhof um dort auszuteilen, was er teilen kann. 100 € lässt er sich das im Monat kosten. Das ist Ostern praktisch! Dort wo eine oder einer von uns andern beisteht und Lasten mitträgt, da wird die Kraft der Auferstehung sichtbar, auch in den ganz alltäglichen Dingen. Wenn einer oder eine den Glauben an Christus treu bewahrt in schwerem Leid oder in großen Schmerzen und möglicherweise – und das kommt nicht selten vor – noch andere tröstet, dann erkennt die Welt etwas von der Kraft Jesu des Auferstandenen an uns. Da ist mehr als das, was einen Menschen sonst ausmacht. Der Petrusbrief nennt das als zweites Identitätsmerkmal von uns Christen:Wiedergeboren, neu geschaffen, mit einem liebenden Herzen für die Menschen und für Gott.
Christen sind Menschen, die aus und zum Lob Gottes leben. Im Loben Gottes wächst ihnen Kraft zu. Wir spüren das im Gottesdienst. Wir kommen in Gottes Gegenwart und gehen beschenkt wieder heim. „Gelobt sei Gott!“ singt Petrus, „der uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten!“ Wie tot waren die Jünger und Jüngerinnen nach der Kreuzigung – im Dunkel der Trauer und im Leid gefangen. Dass Jesus lebt am Ostermorgen, das war wie ein neugeboren werden für sie alle.
Auch wenn Menschen heute Christus als ihren Herrn und Heiland erkennen und liebgewinnen, ist das jedes Mal wie eine Wiedergeburt und wie ein Ostermorgen.
Das ist sozusagen die zweite Schöpfung, die Gott an uns vollzieht. Das 1.Mal schafft er uns bei unserer Geburt durch unsere Mutter, das 2.Mal, wenn wir zum Glauben kommen. Die Bibel nennt das die „Wiedergeburt“.
Ein drittes Mal schafft er uns neu aus dem Tod, an dem Tag, an dem die Toten auferstehen. „Wie könnte Gott die vergessen, die er zweimal schon durch seine Schöpferkraft zum Leben brachte?“ So fragt einer der Kirchenväter und fährt fort: „Er wird ihnen auch zum dritten Mal das Leben geben.“
Zum Schluss noch einmal die Frage: Was hat sich durch die Auferstehung Jesu verändert?
Die Welt vielleicht gar nicht so sehr. Es würde auf ihr vielleicht noch schlimmer zugehen, wenn es keine Christen gäbe. Aber vor allem haben sich durch die Auferstehung Jesu Menschen verändert. Sie sind erfüllt mit Glauben, Hoffnung und Liebe. Und sie sind dazu befähigt, die Welt und das Leben ganz neu und anders wahrzunehmen und zu gestalten. Sie erkennen Gottes Spuren in der Welt und im eigenen Leben und sie wissen Gott im Regiment. Es ist einer, der uns in seinen Händen hält. Da ist Sinn im Leben und im Sterben, auch wenn wir tatsächlich manchmal laut aufschreien möchten. Und um Christi willen wird am Ende das Leben stehen und nicht der Tod.
Amen