Predigt zu Galater 4,4-7 am 26.12.2013

Text: Galater 4,4-7

Liebe Gemeinde,

Gott wird ein Menschenkind, damit wir Gotteskinder werden!

Das ist die Botschaft von Weihnachten, weniger nicht. Gott nimmt unser Fleisch und Blut an, damit alles, was wir erleben und erleiden mit seiner  Gegenwart erfüllt ist und wir überall von Gott gehalten sind, auch dort, wo wir uns alleine wähnen. Und so berichtet der Apostel Paulus davon:

 „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan.“ Das ist die Weihnachtsgeschichte des Paulus. Kurz und bündig fasst er in Worte, was Weihnachten für ihn bedeutet.

Es fühlt sich an wie die Weihnachtsgeschichte, aber gefriergetrocknet. Paulus beginnt und weckt große Erwartungen mit dem Satz: Als aber die Zeit erfüllt war und gespannt wartet man, was kommt: Als es höchste Zeit war, vielleicht und keiner mehr länger hätte warten können, dass Gott endlich in unserer Wirklichkeit einbricht und alles anders wird vielleicht… Aber dann kommt da bloß mit schlichten Worten der Satz:“ sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan!“ Und das bleibt auch schon alles. Mehr will Paulus darüber nicht sagen, nichts wird ausgeschmückt. Da kommen keine Hirten, und da singen keine Engel im Lichtglanz Gottes auf den dunklen Feldern von Bethlehem. Das alles ist für Paulus gar nicht wichtig. Wichtig ist ihm vielmehr das, was Weihnachte mit uns Menschen gemacht hat, und das will Paulus uns erzählen! Weihnachten hat uns zu Kindern Gottes gemacht!

Gott wird ein Menschenkind, damit wir Gotteskinder werden!

Was bedeutet es Dir, dass Du ein Gotteskind bist? Was schenkt uns Gott denn damit?

Vielleicht denken Sie jetzt bange, o du liebe Zeit, noch eine Familienzugehörigkeit! Das kann ja heiter werden. Haben wir doch gerade den 1. Feiertag halbwegs mit Anstand hinter uns gebracht oder auch so, dass es Streit gab, weil doch oft an solchen ruhigen Tagen, die unter den Teppich gekehrten Konflikte aufzubrechen drohen. Die meisten Ehestreitigkeiten gibt es über die Weihnachtsfeiertage. Warum wohl? Weil wir Zeit haben, beieinander zu sein als Familie. Und die haben wir sonst nicht so sehr. Da geht ein jeder seinen eigenen Pflichten nach. Dann hat sich da so manches angestaut und bricht sich jetzt Bahn! Dazu kommt, dass wir  an den Weihnachtstagen so ganz auf Glück eingestimmt  sind und meinen, wir müssten diese Tage  ganz harmonisch schaffen.

Aber wenn dann die Zeit erfüllt ist und Weihnachten da ist, lassen sich manche Erwartungen doch nicht erfüllen. Man hat eben doch nicht alles in der Hand, was die Zeit einem bringt, - trotz aller Bemühungen, Planungen und der großen Anstrengung, es für alle schön zu machen. Manchmal kippt die Laune der Familie einfach um und wir spüren, wie unsicher wir uns eigentlich auf dem Parkett des Lebens fühlen, wie sehr alles an einem Faden hängt, was wir uns wünschen und was wir verwirklichen und leben wollen. Wenn unsere Wirklichkeit zu sehr von unseren Wünschen abweicht, dann gibt es Enttäuschungen. Woher Sie heute Morgen kommen, das wissen Sie selber am besten. Ob enttäuscht oder voller Vorfreude auf den Besuch am Nachmittag, beides ist möglich. Nach Umfragen ist für die meisten Deutschen die Zeit mit der Familie an Weihnachten immer noch das Wichtigste an Weihnachten. Und nun gehört zu Weihnachten eben diese göttliche Familiengeschichte, die Paulus erzählt:“ Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan.“ Eine ganz normale Geburt, so wie jedes Menschenkindlein auf die Welt kommt. Und kaum ist es da, rennt der Vater schon aufs Standesamt und muss den neuen Erdenbürger offiziell anmelden und schon geht es los mit Hipp-  und Aletesendungen und der kleine Erdenbürger ist als Wirtschaftsfaktor entdeckt und als zukünftiger Schüler und Steuerzahler unter die Gesetze seines Staates gestellt.

Und Jesus, der kleine Jude, auch er ist unter die Gesetze seines Volkes gestellt. So schreibt die Tora vor, dass männliche Babys am 8.Tag beschnitten werden müssen. Da konnten Josef und Maria sicher gar nicht anders. Wie jedes jüdische Knäblein, so wurde sicher auch Jesus beschnitten. Das musste alles seine Ordnung haben. Und doch hat eben dieses Kind den normalen Rahmen gesprengt. In diesem Kind wird Gott ein Menschenkind, damit wir Gotteskinder werden! Was für ein Geheimnis!

Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein! Mit ganz sachlichen und fast dürren Worten sagt Paulus einfach nur: Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn! Da gibt es keine Hirtenfolklore und keinen Engelschor, keinen holden Knaben im lockigen Haar, sondern ein Neugeborenes blutverschmiert und runzelig: Seht, welch ein Mensch! Gott kommt auf die Erde, Gott ist durch die Geburt Jesu wahrer Mensch geworden. Er unterwirft sich den menschlichen Lebensbedingungen und Gesetzen. Er verbindet sich wirklich ganz und gar mit der menschlichen Existenz. So beginnt eine Geschichte, die noch immer nicht zu Ende ist. Und wir können darüber nachdenken, wo Gott heute Mensch werden würde: Auf Lampedusa vielleicht oder in Guantanomo bei den Vergessenen und

Rechtlosen, auf den Krebsstationen oder bei den Hungernden in Afrika. Gott geht hinein in unsere Welt und in unser Leben. Und er zeigt sich von einer Seite, die uns fast schmerzt, wenn wir sie erfahren: Gott wird ohnmächtig, so wie ein Krebskranker ohnmächtig ist und ein Rechtloser machtlos ist. Er steht uns in seiner Ohnmacht bei. Er greift nicht ein, aber er ist mittendrin.

Huub Oosterhuis hat formuliert:

Aus dem Himmel ohne Grenzen
Trittst du tastend an das Licht,
du hast Namen und Gesicht,
du bist wehrlos wie wir Menschen.

Ein Gott, der auf seine Macht verzichtet, indem er Mensch wird, schwach und hilflos! Manchmal wünschten wir, er würde mit Macht dreinfahren auf dieser Welt und einfach alles mit einem Fingerschnipsen in Ordnung zaubern. Das tut Gott nicht. Vielleicht wäre das dann auch einfach kein Menschenleben mehr, wenn alles immer eitel Glück und Sonnenschein wäre. Das wird es durch Gottes Menschwerdung nicht.

Aber was wird dann aus uns durch das Kommen Gottes? Wie kommt er denn heute?

In einer Welt, in der Menschen nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen ihr Wert zu-  oder auch abgesprochen wird, in der die Arbeit nach Manntagen berechnet wird und also der Mensch nach seiner Arbeitskraft bewertet wird, in einer Welt, die dem Einzelnen die gesamte Verantwortung für sein Leben aufbürdet, hat es keiner so leicht. In jeder Hinsicht soll er sich optimieren. Die Krankenkassen wollen, dass jeder so gesund als möglich lebt. Wer krank ist, hat wohl etwas falsch gemacht. Für die optimale Ausbildung soll jeder sorgen, damit er aus seinem Leben etwas macht! Das ist erste Bürgerpflicht. Und selbst in der Freizeit muss ich mich verwirklichen und so viel mitnehmen vom Leben, wie nur geht! Und wenn der moderne Mensch dann unter Stress kommt, wird ihm gesagt, selbst dafür könne er sorgen, dass er den Stress ertragen könne! Mit ein paar Atemübungen täglich sei das zu managen.

Und nun sagt Paulus, als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn. Und der macht uns keine Auflagen. Hier muss ich mich nicht optimieren. Da tritt einer neben mich und sagt: Alles ist gut zwischen Dir und Gott. Lebe! Du bist okay! Ob du dick bist und zu viele Kilos hast oder zu dünn und nicht in den BMI passt. Ob du etwas aus dir machen konntest und erfolgreich warst, oder ob du gescheitert bist, warum auch immer,  dein Wert wird bei mir nicht danach gemessen, sondern einzig und allein daran, dass du ein von Gott geschaffener und geliebter Mensch bist.

Gott wird ein Mensch, geht da überall mit uns hinein, damit wir Gotteskinder werden können! Wir haben noch eine andere Identität als die, die uns auf dem Standesamt zugelegt wird. Paulus sagt: Die, die zu Jesus Christus gehören, sind Gottes Kinder und sie erben Gottes Verheißungen. Was das betrifft, sind wir nicht von dieser Welt als Christen. Die Verheißung an Abraham, den Vater aller Glaubenden, war die des Segens Gottes. So werden wir als Erben der Verheißung Gesegnete des Herrn und seine Kinder. Das geschieht in der Taufe. Mütter haben ein untrügliches Gespür dafür, dass sie ihre Kinder dieser Welt nicht ungeschützt aussetzen wollen. Und dass das Leben mehr ist, als ein biologisches. Sie spüren, dass Leben  immer über diese Welt hinausreicht. Viele antworten mir auf die Frage, warum sie ihr Kind taufen lassen wollen: Es soll dazugehören zu Gott. In den Raum des Segens sollen die Kinder hineingestellt werden. Paulus erklärt uns, dass das erst mit der Geburt des Sohnes Gottes möglich wurde, als die Zeit erfüllt war. Nun sind wir nicht mehr wie die Sklaven früher, die keine Rechte im Haus des Herrn  hatten, sondern wir sind frei geworden, ja sogar Kinder des Hausherrn und Teilhaber am Reich Gottes. Und wir dürfen Gott Vater nennen, wie Jesus das durfte und tat: Abba, lieber Vater! Und wenn wir ihn so nennen, dann dürfen wir auch glauben: Er ist da! Er steht neben uns, wenn wir in Ängsten sind und wenn unser Gewissen uns verklagt, wenn wir den Tod eines lieben Menschen aushalten müssen und wenn wir selbe ans Sterben gehen. Und es wird geschehen, dass wir seine Hilfe erfahren, so wie er es  für uns will und so wie es für uns und unser Leben passt. Und als denen, die freigeworden sind und mit ihm auf Du, vertraut er uns einander an, damit wir einander gegenseitig beistehen. Die Freigewordenen und Teilhaber am Reich Gottes übernehmen so Verantwortung für ihr Erbe: Alle Menschen sind zu Kindern Gottes berufen.

Als aber die Zeit erfüllt war, fielen die Standesunterschiede dahin. Sozialer Status, Geschlecht oder Abstammung – all das spielt keine Rolle mehr. Getauft sind wir alle, und dann ist da nicht mehr Jude, noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau. Da werden die verachteten Hirten zu ersten Hörern der Botschaft und Maria, ein Mädchen vom Land wird zur Gottesmutter. Und wir alle zu Gotteskindern. Da ist nicht leitender Manager, noch Aushilfskraft, nicht Chefärztin, noch Fensterputzer. Da rufen sie alle nebeneinander und Miteinander: „Abba, lieber Vater!“

Die Zeit ist erfüllt, die Gotteskindschaft zu entdecken, die Menschen verbindet und stärkt und dazu beruft, füreinander das zu tun, was sie als Gottes Hände und Füße füreinander tun können. Denn seht, die gute Zeit ist da! Gott ist mitten unter uns.

 

AMEN

 

 

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